Claus Sauter
NO. 7 | November 2018
5 MIN

Goodbye, Deutschland: Die Überholspur für umwelt­freundliche Mobilität führt in die USA

Während in Deutschland die Ampeln für fortschrittliche Mobilitätskonzepte auf Rot stehen, gibt es in den USA grünes Licht und freie Fahrt für innovative klimafreundliche Technologien.

Donald Trump sorgte für ordentlich Furore, als er sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen verabschiedete, weil er darin eine Bedrohung für die Stärke der Industrie der Vereinigten Staaten sah. Und da „America-Bashing“ hoch im Kurs steht, kam es der deutschen Politik sehr gelegen, die USA völlig undifferenziert als Sündenbock für eine verfehlte Klimapolitik hinzustellen. Das lenkt so wunderbar vom eigenen Versagen ab und die Realität schreibt sich nach und nach um. 


Es wird einfach totgeschwiegen, dass die USA Deutschland beim Klimaschutz im Verkehrsbereich Jahrzehnte voraus sind und in Bezug auf alternative Antriebskonzepte längst mehrgleisig fahren und nicht einspurig auf Elektromobilität setzen. Somit verwundert es nicht, dass die Zielvorgabe für fortschrittliche Biokraftstoffe bereits 2018 mehr als 20-mal so hoch ist wie das Ziel der Europäischen Union für 2030! 

Während hierzulande die Elektromobilität mit raffinierten Tricksereien schöngerechnet wird. Wie? Indem man die Emissionen, die am Kohlekraftwerk entstehen, einfach unter den Teppich kehrt. Die 38. BImSchV und die UER-Verordnung – seit Anfang 2018 in Kraft – fördern sogar fossile Kraftstoffe und drängen bereits wirtschaftliche Konzepte für Biokraftstoffe brutal aus dem Markt. Millioneninvestitionen in langjährige Forschung und Entwicklungsarbeit „Made in Germany“ werden torpediert.

In den USA hingegen ist E10 der Standardkraftstoff und ab Sommer 2019 wird E15 angeboten. Auch das wahre Potenzial von Biomethan für die Dekarbonisierung im Verkehr wurde längst erkannt. In Kalifornien ist ein regelrechter RNG (1) -Boom zu verzeichnen. 

Das „California Air Resources Board“ (CARB), das den VW-Dieselskandal enthüllte, bewertet RNG aus landwirtschaftlichen Reststoffen sogar als den saubersten Biokraftstoff und hat dafür einen CO2-Wert von MINUS 255 g CO2 eq/MJ bestätigt. Sie haben richtig gelesen: Es wurden NEGATIVE Emissionswerte ermittelt – denn es werden vermiedene Methanemissionen angerechnet, die ansonsten bei der Lagerung und Ausbringung von Gülle sowie bei der natürlichen Rotte von Stroh auf den Feldern entstehen. Zurecht! Denn frei emittierendes Methan ist 25-mal klimaschädlicher als CO2

Bei Anwendung dieser Berechnungsmethode in Deutschland würden die CO2 Emissionen am Kohlekraftwerk berücksichtigt und damit hätte Elektromobilität gegenwärtig eine schlechtere Klimabilanz als fossiler Diesel! 

Aber Teile der deutschen Bundesregierung führen sehr erfolgreich einen ideologischen Feldzug gegen den Verbrennungsmotor. Die Bundesregierung muss aufpassen, dass in der Automobilindustrie nicht dasselbe Massaker angerichtet wird, wie in der einst so erfolgreichen Energiewirtschaft. 

Werte Bundesregierung, werte Bundesumweltministerin, würden Sie sich zu Biomethan aus Reststoffen der einheimischen Landwirtschaft bekennen, bräuchten Sie sich auch nicht vor ehrgeizigen Klimazielen fürchten. Es bedarf lediglich einer herausfordernden THG-Quote für den Verkehrsbereich im Allgemeinen und fortschrittliche Biokraftstoffe der zweiten Generation im Speziellen sowie einer Möglichkeit der ehrlichen Well-to-Wheel Betrachtung für die Automobilindustrie bei der Bestimmung der Flottengrenzwerte. 

Finanzielle Förderprogramme mit einer zusätzlichen Belastung des Bundeshaushalts oder der Steuerzahler? Nein! Brauchen wir nicht! Es gibt ein funktionierendes Geschäftsmodell. Damit ist sauberes, grünes Biomethan günstiger als Benzin und Diesel!

Wir hatten bereits einen Bio-Anteil von fast 25 Prozent im CNG-Kraftstoff. Dieser ist durch Ihre neuen Verordnungen seit Jahresbeginn auf unter 15 Prozent (!) zurückgegangen! Nicht etwa, weil kein nachhaltig erzeugtes erneuerbares Methan verfügbar wäre. Auch nicht, weil die Anlagen dafür nicht vorhanden wären oder weil die Technologien noch nicht marktreif sind. Nein! Alleine deshalb, weil SIE, meine Damen und Herren Politiker, es so entschieden haben – mit Ihrer aktuellen Gesetzgebung! Es ist nicht die Industrie, die wenig ambitioniert handelt, es ist die Politik!

Wo soll denn der Druck für die Mineralölkonzerne herkommen, auf klimafreundliche Kraftstoffe zu setzen, wenn die von vornherein viel zu niedrig angesetzte THG-Quote obendrein unter Verwendung fossiler Kraftstoffe erfüllt werden kann? Und für 2020 eine THG-Quote für fortschrittliche Biokraftstoffe von 0,05 % festzulegen, ist ein Witz. Und zwar einer ohne Lacher! Sie haben die deutschen Klimaschutzziele geopfert! Es ist höchste Zeit, den Fingerzeig auf andere zu unterlassen und sich an die eigene Nase zu fassen. Mehr Pragmatismus und weniger Ideologie. Mehr Ehrlichkeit und weniger Feldzug. 

Für VERBIO heißt es: Goodbye, Deutschland! Wir gehen dorthin, wo verlässliche, langfristig angelegte Rahmenbedingungen gegeben sind und produzieren grüne Energie ab 2020 für Nevada, Iowa – mit Prozesstechnologie „Made in Germany“. 

VERBIO hat Anfang November einen Kaufvertrag für die Zellulose-Ethanolanlage des Konzerns DuPont unterzeichnet. Wir werden den Standort und bestehende Anlagenteile zur Strohaufbereitung nutzen und eine Stroh-Biomethananlage mit einer Kapazität von 20 Megawatt ergänzen – nach unserem deutschen Anlagenvorbild. Es werden neue Arbeitsplätze geschaffen und neue Perspektiven für die regionale Landwirtschaft entstehen. Und Nevada ist nur der Einstieg in den US-amerikanischen Markt, so viel steht fest. Der amerikanische Biokraftstoffmarkt ist 6 Mal größer als der europäische.

Seit Jahren weise ich vergeblich auf politische Fehlentscheidungen hin. Ich habe auf eine Erweiterung des begrenzten E-Horizonts, auf Technologieoffenheit und auf den Beginn ehrlicher Bemühungen um den Klimaschutz gehofft. Vergebens! 

Ich kann dieses verlogene Geschwätz um den deutschen Klimaschutz nicht mehr ertragen und Jammern ist keine Lösung – jedenfalls nicht für mich! Deshalb gehen wir jetzt dorthin, wo wir mit unserer Technologie und unserem Know-how willkommen sind.

Viel Spaß mit Fake-Umweltschutz „Made in Germany“ und beste Grüße von Donald Trump!

Claus Sauter

Gründer & Vorstandsvorsitzender Verbio SE und BioEnergie-Experte

(1) RNG steht für Renawable Natural Gas (= Biomethan) 


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5 Kommentare

  • Matthias Junk
    Sehr geehrter Herr Sauter,
    vielen Dank für die prägnante Darstellung. Als im Frühjahr 2020 VW verkündet hat, aus der Weiterentwicklung von CNG-Fahrzeugen auszusteigen, dachte ich "das darf doch wohl nicht wahr sein!". Zeitnah hatte ich gelesen, dass in Bayern schon jede zweite CNG-Tankstelle klimaneutrales Biogas anbietet (wohl weil die Verträge zur Verstromung auslaufen und viele keine Möglichkeiten haben, ins Erdgas-Netz einzuspeisen), oder dass New Holland vielleicht tatsächlich bis zum Ende diesen Jahres den Traktor T6 Methan Power in Serie bringt. Und auch auf der anderen Seite, dass das Augsburger Vorzeigemodell, den gesamten ÖPNV klimaneutral mit Deponiegas zu betreiben, wegen neuer Gesetze aus Brüssel vor dem Aus steht. Letztes Jahr wurde die CO2-Vergleichsstudie des Johanneum Research (ADAC-Studie) wegen veralteter Daten verrissen. Dieses Jahr bin ich auf die Studie des Fraunhofer-Instituts ISI gestoßen (https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/cce/2019/klimabilanz-kosten-potenziale-antriebe-pkw-lkw.pdf). Und wieder siegt das CNG-Fahrzeug gegen das E-Auto! Und da ist der moralische Rucksack von Lithium-Akkus noch nicht mal berücksichtigt: Im Dreiländer-Eck Argentinien, Bolivien-Chile wird ein Natur-Reservat zerstört, die indigene Bevölkerung mafiös vertrieben, Wildtiere sterben an Durst und giftigem Staub. Das Kobalt für die Lithium-Akkus stammt überwiegend aus illegalen Minen im Kongo, wo laufend Kinder verschüttet werden. Und beim Recycling von Lithium-Akkus wird ausgerechnet das Lithium überhaupt nicht zurück gewonnen. Dennoch ständig das Geschwafel von der Nachhaltigkeit des E-Autos! Dabei wäre die Rückgewinnung wirtschaftlich möglich. Das hat das LithoRec II-Projekt gezeigt, dass frühere Bundesregierungen viele Millionen wert war!
    Ursache für den Rückzug von VW aus der CNG-Technologie ist vermutlich, dass man zwar mit biogenem Methan klimaneutral oder sogar mit negativer Umweltbilanz mobil sein kann, das CNG-Auto aber in keiner Weise zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben zur Senkung des CO2-Flottenausstoßes beiträgt. Dazu passt wie die Faust auf's Auge, dass man E-Autos auch dann als Zero-Emission-Fahrzeuge angerechnet werden, wenn sie 100% mit Braunkohlestrom betrieben werden. Somit dienen sie dazu, den CO2-Flottenausstoß der Konzerne zu schönen und damit als Feigenblatt auf der anderen Seite mehr spritfressende fahrende Festungen verkaufen zu können. Und in der Hybrid-Version verschafft der Lithium-Akku diesen zu Beschleunigungen wie einem Sportwagen. DAS ist es, was die Grünen mit Ihrem E-Hype bewirken. Widersinnig, und sie bemerken es noch nicht einmal. Sie begreifen keinen einzigen Zusammenhang. Manchmal hat man den Eindruck, sie wollen gar nichts davon wissen, das etablierte Technologie besser ist als ihr Steckenpferd E-Auto. Vielleicht ist ihnen das CNG-Auto auch einfach zu billig. Es sind ja auch einige generelle Auto-Gegner unter ihnen, die sich wohl denken: Lieber eine Alternative, die den Massen zu teuer und zu unpraktikabel ist. Ins gleiche Bild passen ja auch die flächendeckenden Tempo-30-Zonen unter dem Vorwand des Lärmschutzes, die Pförtner-Ampeln und die Verknappung von Parkplätzen. Anwohner städtischer Kreuzungen haben eine 15 Minuten geringere Lebenserwartung? Soviel verliere ich durch diese Maßnahmen jeden Tag! Wer den Pendlern das Leben schwer macht, muss ich über noch weiter explodierende Wohnkosten in den Städten nicht wundern! Auch ist es den Grünen wohl egal, dass das E-Auto einen Strukturwandel verursacht, der zahllose Existenzen bedroht. Die großen Marken können sicher noch auf das E-Auto umstellen, doch was ist mit den Zulieferern und all den weiteren Betrieben, die diesen Maschinen oder Teile liefern? Man schaue nach NRW und Saarland um zu begreifen, was ein Strukturwandel bedeutet: Wenn in einer ganzen Region ein Großteil der Arbeitsplätze wegfällt trifft dies alle: Handwerk, Handel, Dienstleistungen, Imobilienwirtschaft. Die qualifizierten Leute ziehen weg. In NRW und Saarland sind auch Jahrzehnte später viele Kommunen verarmt. Und dass dies nun in Niedersachsen, BW und Bayern ebenfalls droht, scheint den Grünen schnuppe zu sein. Dabei wäre dieser Strukturwandel vermeidbar, wenn man auf CNG setzen würde. Und die Leute sind nicht blöd. Spätestens wenn der Karren an die Wand gefahren ist, werden die Leute sich daran erinnern, wer ihnen das eingebrockt hat. Was wird wohl von Kretschmanns Erbe übrig bleiben, wenn Protestparteien das Ruder übernehmen? Wenn die Demokratie dann unumkehrbar abgeschafft wird, wird manchem ein Licht aufgehen - leider zu spät!
    Mich hat diese ganze Gemengelage dazu veranlasst, über abgeordnetenwatch aber auch über die Büros der Abgeordneten aller irgendwo regierenden Parteien unangenehme Fragen zu stellen. Doch bisher habe ich keine Antwort erhalten, die auch nur ansatzweise ein Nachdenken erkennen lässt. Und die Studie des Fraunhofer-Instituts ISI wird komplett ignoriert! Stattdessen werden Märchen verbreitet wie "nur das E-Auto kann Strom direkt und ohne Umwandlungverluste umsetzen". Das pure Wunschdenken!
    Ihren Beitrag habe ich übrigens gefunden, indem ich bei Abgeordnetenwatch nach "CNG" gesucht habe, weil ich mal wissen wollte, was andere zu dem Thema so fragen. Dort hat jemand Ihren Beitrag verlinkt. Vielen Dank nochmal dafür. Passt genau zu meiner aktuellen Stimmungslage.
  • Hans Georg Streup
    Sehr geehrter Herr Sauter,
    Ihre Argumente klingen für mich sehr überzeugend. Haben Sie dazu schon einmal eine Anfrage an die betroffenen Umwelt-Ministerien in Bund und Land gestellt sowie den Repräsentanten der deutschen Automobilindustrie einbezogen. Zumindestens der Umweltminister Ihres Bundeslandes müßte doch ein besonderes Interesse daran haben und ergänzend der Wirtschaftsminister ,wenn es auch um den Punkt Verlagerung von Investitionen geht .Zusätzliche Arbeitsplätze entstehen so ja nicht!
    Mit freundlichen Grüßen
    Hans Georg Streup
    • Claus Sauter
      Sehr geehrter Herr Streup,
      wir liegen den Politikern auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene ständig im Ohr. Wir bringen unser Wissen und unsere Technologien in Arbeitskreisen und Mobilitätsprojekten auf deutscher und europäischer Ebene mit ein. Leider werden unsere Argumente nicht gehört oder nicht gewürdigt. Aber auch wenn wir jetzt außerhalb Deutschlands investieren, bleiben wir auch an der deutschen Politik dran. Steter Tropfen höhlt den Stein ...
  • Christian Golbs
    Sehr geehrter Herr Sauer,
    vielen Dank für die offenen Worte, die man leider viel zu selten hört.

    Mich würde interessieren was Sie zu den Erdgas Preisen am Waha Hub sagen.
    https://www.zerohedge.com/news/2018-11-29/natural-gas-prices-fall-below-zero-texas
    Besteht da erhöhtes Risiko für Verbio?

    Beste Grüße aus Erfurt
    Christian Golbs
    • Claus Sauter
      Sehr geehrter Herr Golbs,
      nein, der Preis für Erdgas in den USA ist kein Problem für VERBIO, ganz im Gegenteil. Die Preise für Erdgas in den USA unterstreichen meine Aussage, dass Methan der billigste Energieträger überhaupt ist und damit Methan ein globaler Megatrend ist. Methan ist viel billiger als Rohöl und damit hat jeder, der ein Erdgasfahrzeug betreibt, einen Preisvorteil. Besonders im gewerblichen Bereich sind die Kraftstoffkosten ein wichtiger variabler Kostenblock.
      Je mehr auf dieser Basis auf Erdgas als Kraftstoff umgestellt wird, umso mehr Absatzmöglichkeiten entstehen auch für erneuerbares Methan (RNG = Renewable Natural Gas bzw. Biomethan). Und wenn man sich dann die Biokraftstoffe als eigene Form der Energieträger anschaut, dann ist Biomethan wesentlich günstiger als Biodiesel und Bioethanol. Deshalb wird sich Biomethan als wichtigster alternativer Kraftstoff bei der Dekarbonisierung im Transportbereich global durchsetzen.
      Viele Grüße, Claus Sauter

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